"Man muss aus Dreck Gold machen können!"
Do, 03.12.2015
Österreichs Wirtschaft benötigt dringend neue Impulse durch Start-up´s. Doch die lassen leider auf sich warten. Auf Einladung der Schweizer Handelskammer (Handelskammer Schweiz-Österreich-Liechtenstein (HKSÖL)) diskutierte im Novomatic Forum in Wien eine hochkarätige Expertenrunde darüber, wie man Jungunternehmen auch bei uns "zum Fliegen" bringen könnte. Am Podium: Whatchado-Gründer Ali Mahlodji, Venturelab Schweiz-Geschäftsleiter Simon May, Investorin Marie-Hélène Ametsreiter, EY-Rechtsexperte Wolfgang Eigner und der Schweizer Business Angel Christian Wenger.
Runtastic hat es vorgemacht. 2009 in Oberösterreich gegründet, wurde die Softwareschmiede heuer um 220 Millionen Euro an einen internationalen Konzern verkauft. Doch leider sind solche Erfolgsgeschichten in Österreich, in der Schweiz und in Liechtenstein (noch) Einzelfälle. Von den laut einer Studie der WKO im Jahr 2013 gegründeten 638 Start-up´s bleiben die meistern weit hinter den Erwartungen zurück. Weder Wien noch Vaduz oder Zürich zählen zu den Top 20 Hotspots der Gründerszene weltweit. Doch warum fällt es gerade uns so schwer, Jungunternehmern Flügel zu verleihen? Laut Whatchado-Gründer Ali Mahlodji scheitern in Österreich viele an ihren eigene Hemmschwellen im Kopf und an den guten Ratschlägen der Experten. "Man darf nicht auf ein Startsignal warten, sondern muss es einfach tun und sich trauen, Fehler zu machen. Man muss auch die Fähigkeit haben, sich zu blamieren. Als Gründer musst du aus Dreck Gold machen können. Das ist wie bei einem Jahrmarkspieler. Du musst immer eine Lösung finden und nicht Ausreden suchen, warum etwas nicht geht, sondern es einfach umsetzen. Wenn du es nicht probierst, weißt du auch nicht, ob`s funktioniert." Wenig hält der im Flüchtlingsheim Traiskirchen aufgewachsene Iraner von Expertenmeinungen. "Das Problem bei Experten ist: Sie haben das Wissen der Vergangenheit und nicht der Zukunft. Trotzdem trauen sie sich zu, Leuten Ratschläge zu geben. Ich wurde von allen Experten abgelehnt. Und nach ein paar Jahren bekam ich einen Preis für das beste Konzept am HR-Markt überreicht." Frustrierte Manager und neue Helden Der Sprung ins kalte Wasser ist auch für Venturelab Schweiz-Geschäftsleiter Simon May der schnellste Weg ins Jungunternehmertum. "Man sollte vorher in großen Unternehmen arbeiten, um Erfahrungen und Geld zu sammeln. Nach ein paar Jahren kommt dann der große Frust. Diese frustrierten Manager sind gut für die Start-up-Szene. Die ziehen ihre Anzüge aus und gründen in Jeans ein Unternehmen. Für Marie-Hélène Ametsreiter von Speedinvest zählt nicht nur der Wille zur (Verzweiflungs)tat, sondern sind in erster Linie die Rahmenbedingungen ausschlaggebend: "Drei Faktoren bestimmen, ob es in einem Land viele Start-up gibt: Talent, Geld und eine Kultur, die Gründungen zulässt. Ich glaube, wir haben hier sehr viele Talente, die tolle Produkte entwickeln. Auch finanziell sind wir schon weit gekommen. Wo es sich spießt, ist die Anschlussfinanzierung. Viele Unternehmen gehen, nachdem das Produkt am Markt ist, dann doch nach Amerika.". Erst in den letzten Jahren kam ein vierter Grund dazu: Role Models! "Mit Runtastic haben wir in Österreich Helden geschaffen. Diese Helden sind wichtig, da sie nachgeahmt werden. Wir müssen nun versuchen, mehr solcher Helden zu erschaffen." Die Beobachtung, dass Start-up`s plötzlich "cool" sind, machte auch der Schweizer Business Angel Christian Wenger: "Als ich vor 20 Jahren in diese Industrie gekommen bin, wusste niemand, wie man ,Start-up` überhaupt schreibt. Die Entwicklung in den letzten 18 Monaten ist enorm. Heute kommen meine Kinder zu mir und wollen ein Start-up gründen. Wichtig ist die Vernetzung. Früher kämpfte ich wie eine Maus gegen Elefanten. Heute sind wir plötzlich mit den wichtigen CEOs auf Augenhöhe. Ich versuche jedes Jahr eine halbe Milliarde in das System zu pumpen. Die Talente gehen sonst ins Ausland. Vor 20 Jahren habe ich gesagt, dass ich einen 30-Jahre-Job habe. Ich benötige also noch 10 Jahre, um das alles zu vollenden." Nicht so viel Zeit sollten sich Jungunternehmer laut EY-Rechtsexperten Wolfgang Eigner bei der Wahl ihrer Rechtsform lassen. "Das österreichische Arbeitsrecht ist ein einziger Unfall und eine Spielwiese für Anwälte. Die Regelungen sind so hirnrissig, dass es schmerzt. Das Erste, was ein Gründer überlegen sollte, ist, in welcher Rechtsform er sein Unternehmen aufsetzt. Viele arbeiten einfach drauflos und stoßen dann plötzlich auf Probleme, wie sie z.B. den Gewinn aufteilen, Patente schützen. Dazu kommt ein Paragraphendschungel, der von Behörden in Österreich oft sehr streng exekutiert wird. De Gesetze sind in keinem Fall flexibel. Sie sind vielmehr höchst verbesserungswürdig." Im Publikum saßen der Schweizer Botschafter Christoph Bubb, Georg Krenkel (CEO Helvetia Schweizerische Versicherungsgesellschaft), Manager und Business-Angel Rudi Semrad, Herbert Stepic (Senior Advisor to the Board Raiffeisen Bank International), Stephan Ottrubay (Generaldirektor Esterhazy Betriebe), Stefan Artner (Partner DORDA BRUGGER JORDIS Rechtsanwälte), Gerhard Gmeiner (Country Manager People´s Viennaline), Lucien Berlinger (Vorstandsvorsitzender Zürcher Kantonalbank Österreich), Markus Thomas Schweizer (Managing Partner Advisory Services bei EY Deutschland, Schweiz und Österreich), Burkhard Gantenbein (Partner Ango Invest), Markus Pistracher, Dominik Fischer und Erich Hüttmair (Western Union Business Solutions), Nikolaus Kawka (Geschäftsführer Zühlke Engineering Austria), Urs Weber (Handelskammer Schweiz-Österreich-Liechtenstein), Karin Kreutzer Geschäftsführerin konzept pr), Alexander Riklin (CEO Alcar Holding), Albert Spielmann (Geschäftsführer Swiss Post Solutions), Georg Weidinger (Geschäftsführer Swiss Mail Solutions), Helmut Zolles (Zolles Tourismusberatung), Rene Alfons Haiden (Banker), Karl-Georg Assl (CFO Carbones Holding), Alexander Burstein (Leitung Business Development Sanova Pharma), Klaus Haberfehlner (Geschäftsführer Strategy und Restructuring EY Österreich), Jakob Matuschka-Gablenz (Private Banking Bankhaus Spängler), Thomas Meyer (Geschäftsführer Austrian Reporting Services), Rechtsanwalt Thomas Mondl, Steuerberater Helmut Moritz, Gerald Schütz (Anzeigenleitung Wiener Zeitung), Martin Zeiner (Senior Manager A1 Telekom Austria), Daniel Wiesner (Managing Director Conveba), Thomas C. Stubbings (Managing Director TS Management Consulting), Gerhard Peller (Geschäftsführender Gesellschafter EMPOR Management), Politikberater Axel Ganster, Konsulent Gerhard Tessar, Klemens Wolf und Christof Federle (dcinex) und Günther Schindler (Geschäftsführer SYMA-SYSTEM). Über die "Top Speakers Lounge" Die Plattform "Top Speakers Lounge" ist eine Veranstaltungsreihe der Handelskammer Schweiz-Österreich-Liechtenstein (HKSÖL), unterstützt von Ernst & Young und dem Novomatic Forum. Thematisiert werden aktuelle Entwicklungen in Wirtschaft und Politik – zu den bisherigen Keynote Speakern zählten Peter Brabeck (Chairman Nestlé AG), Benedikt Weibel (CEO Westbahn AG) und Martin Senn (Group CEO Zurich Insurance Group), Rechnungshofpräsident Josef Moser oder Bundesminister Rudolf Hundstorfer. Über die Handelskammer Schweiz-Österreich-Liechtenstein (HKSÖL): Die HKSÖL versteht sich als umfassendes Netzwerk von Unternehmen und Verbänden, das die drei Länder Schweiz, Österreich und Liechtenstein verbindet. Die – rein privatwirtschaftlich finanzierte - Kammer unterstützt ihre Mitglieder bei Wirtschaftsbelangen aller Art und fungiert als Interessensvertretung gegenüber Behörden und Politik. Redaktionsnachweis & Foto Robin Consult |