Martin Mosebach: Die 21 So, 16.06.2024
Eine Reise in das Land der koptischen Märtyrer

Der erneute Gaza-Konflikt seit dem 7. Oktober 2023 mit seinen Abertausenden Toten und Verwundeten lenkt den Blick erneut betroffen und intensiv auf die Länder des Nahen Ostens, besonders Israel, die Palästinensergebiete, Libanon, Jordanien und Iran. Ein Staat, der hauptsächlich betroffen und beteiligt ist, steht oft im Schatten der detaillierten Betrachtung: Ägypten, die orientalische Großmacht angesichts der Zahl ihrer Einwohner und - nicht zuletzt - ihrer Herrschaft über den Suez-Kanal.

Ägypten, einer der ältesten Kulturstaaten der Erde, ist keineswegs der politische und gesellschaftliche Monolith, als den ihn besonders die westlichen Staaten gerne sähen. Martin Mosebach, geboren in Frankfurt/Main 1951, zunächst Jurist, seit 1983 Schriftsteller, Preisträger zahlreicher Preise (darunter der Georg-Büchner-Preis) und Mitglied einiger wissenschaftlicher Akademien, legt hier ein Reisetagebuch voller Reflexionen vor. Blickpunkt und äußerer Rahmen ist dabei die Hinrichtung der 21 Wanderarbeiter, die fast alle aus einer Ortschaft (klassisch: Dorf!) stammen und hier in derselben Straße wohnten. Also - soziologisch gesehen - Angehörige einer Unterschicht, die zum Geld verdienen ins Ausland gehen, hier nach Libyen. Und hier werden sie von fanatischen Muslimen ihres christlichen Glaubens wegen ermordet : Aus Treue zu ihrer koptischen Kirche, die seit der Frühzeit des Christentums den alten Glauben und die alte Lturgie bewahrt hat. So unauffällig sie gelebt haben, ihre Kirche hat sie zu Martyrern erklärt. Der Autor zeichnet das kurze Leben dieser 21 nach und zeigt dabei ihre Mentalität: treu zur Kirche und im Bewußtsein, die "eigentlichen" Ägypter im Gegensatz zu den Nachkommen der arabischen Einwanderung (des 7. Jahrhunderts n. Chr.) zu sein. Mosebach führt Gespräche auch mit Bischöfen und skizziert ebenso den Riesen-Unterschied zwischen Stadt und Land, zwischen muslimischen Großstadtbewohnern und Fellachen.

Das höchst lesenswerte Buch - ein "Spiegel-Bestseller" - wurde auch in andere Sprachen übersetzt, so zuletzt 2022 ins Slowenische und 2023 ins Finnische.Das Buch eines der wichtigsten deutschen zeitgenössischen Autoren leistet auch weiterhin gute Dienste zum tieferen Verständnis der ägyptischen Gesellschaft und Politik - neben der Erinnerung und dem Blick auf ähnlich schreckliche Vorkommnisse in neuesten Tagen.