Wer sucht, wird finden! Fr, 24.06.2005
Letztes saß meine Wenigkeit ganz gemütlich im Gastgarten eines Wiener Innenstadtlokals und genoss ein, zugegebenermaßen ziemlich verspätetes Frühstück, als mich ein spitzer Begrüßungsschrei beinahe meinen großen Cafe Latte mitsamt der überdimensionalen pseudofranzösischen Mega- Tasse, also von Rechts wegen eigentlich meinen Cafe au Lait, hätte fallen lassen. Aber das mit dem österreichischen Verständnis von nicht- österreichischer Kaffeekultur ist eine andere Geschichte… Prompt reagierte mein Körper auf den drohenden Entzug des Koffeins und so manövrierte meine rechte Hand die Tasse gerade noch rechtzeitig zurück aufs Tischchen um eine Katastrophe für mich und meine weiße Hose zu verhindern. Vor mir standen, na ja, eigentlich saßen sie schon beinahe, zwei mehr oder weniger gute Bekannte und strahlten mich mit ihrem 'Frisch von der Mundhygiene'- Lächeln an, nur um mich gleich darauf mit ihrer neuen Lebensphilosophie vertraut zu machen. Ich würde ein wenig übermüdet aussehen, aber das sei bei meinem Lebensstil ja auch kein Wunder. Aha, hatte ich die guten Frauen nicht wenige Tage zuvor noch in den frühen Morgenstunden verzweifelt nach ihren Sonnenbrillen suchen sehen, weil sie sich ohne dieselbe nicht aus der Dunkelheit des Clubs in die Morgensonne wagten?

Nunmehr hätte man jedenfalls glatt meinen können, die Damen seien einer Gehirnwäsche unterzogen worden. Weggehen sei ja soooo sinnlos, man würde ja eh immer die gleichen Leute treffen und außerdem spiele es ja üüüberall die gleiche Musik und es gäbe gaaar nichts Neues mehr in diese Stadt. Mit einem traurigen Blick in Richtung meines Frischkäse- Bagels stürzte ich mich in dieses Gespräch. Nach kaum zehn Minuten konnte ich mich des Gefühls nicht erwehren, dass die beiden in letzter Zeit so einiges verschlafen haben. Passage, Volksgarten, Volksgarten, Passage und wieder anders rum. Zugegeben, die beiden sind feste Größen im Wiener Clubgeschehen, aber nicht die einzigen. Mir kam das ungefähr so vor, als würde jemand zwar die Stones und Madonna kennen, aber nicht den blassesten Schimmer haben, wer Britney Spears und Robbie Williams sind.

Wenn man tagein, tagaus die gleichen Lokalitäten aufsucht, der braucht sich wohl nicht zu wundern, wenn er immer die gleichen Leute sieht. Aber in dieser Beziehung läuft wohl ein eiserner Vorhang zwischen den einzelnen Wiener Clubs. Gemischt wird bestenfalls Alkohol mit einem Softdrink im Glas, keinesfalls jedoch das Publikum der diversen Locations. Ist es denn wirklich so wichtig am 'richtigen' Ort zu sein, dass man es dafür in Kauf nimmt sich den ganzen Abend zu langweilen? Oder hat der geneigte Clubber Angst, einen geschmacklichen Faux Pas zu begehen und an Ansehen und Stellung unter den Partygehern zu verlieren? Der Verhaltenskodex in der Wiener Szene ist ja schlimmer als der am Hof der Englischen Königin! Kaum tanzt man zu einem Song der älter als drei Jahre ist, wird man schon schräg angesehen und dezent darauf hingewiesen, dass der Titel aber schon 'einen ziemlichen Bart' hat. Und der fassungslose Blick eines Kellners, als letztens ein Mädchen neben mir ein Malibu- Orange bestellte. Soll sie doch, wenn es ihr schmeckt! Fehlt ja nur noch, dass mir demnächst einer vorschreibt, zu welchen Platten ich tanzen darf und welcher Drink etwas in meinem Glas verloren hat! Vielleicht muss ich künftig am Eingang einen Fragebogen ausfüllen, der mein Tauglichkeit für exakt die gerade stattfindende Veranstaltung prüfen soll.

Hiermit rufe ich zum Boykott dieser spaßvermeidenden Verhaltenskodizes auf: Geht in die Nachtschicht, shaked euch zu den Global Deejays weg und trinkt Himbeerbrause! Ungefähr dies teilte ich auch den beiden Damen mit, welche mich an meinem friedlichen Frühstück hinderten. Die ergriffen mit geschocktem Blick die Flucht und überlegen wohl bis heute, wodurch mein Geist so beeinträchtigt gewesen sein mag, dass ausgerechnet ich solche Sätze von mir gebe. Es ist wie im Urlaub: Wer sich abseits der touristischen Trampelpfade bewegt, der wird Dinge entdecken, die anderen verborgen bleiben….