Ausweichmöglichkeiten
Fr, 26.01.2007
In den letzten Monaten gewann ich zunehmend den Eindruck, in meinen Lieblingslocations irgendwie fehl am Platz zu sein. Irgendwie auch kein Wunder, wenn sich um einen herum Mädels bewegen, die denken die Karottenjeans in die Hose zu stopfen wäre eine nie da gewesene Innovation und überlange Shirts, die in der Taille mit einem Gürtel abgebunden werden, eine Erfindung des Modekonzerns mit den zwei Buchstaben und dem "&" in der Mitte. Dummerweise ist meiner Wenigkeit bekannt, dass es das alles schon einmal gab. Und das leider nicht nur aus Erzählungen älterer Geschwister und Cousinen, sondern aus eigener Wahrnehmung. Um es kurz zu machen: Ich fühlte mich alt. Naja, vielleicht nicht direkt alt, aber zumindest zu alt, um sich jedes Wochenende in dunklen, gesteckt vollen und lauten Clubs rum zu treiben.
Zuhause vor dem Fernseher zu sitzen und mir Rateshows anzusehen, wobei das einzige Highlight ein Stück oder besser eine Tafel Schokolade darstellt, war allerdings auch keine wirklich erfüllende Abendbeschäftigung. Ich machte mich also daran, vernünftige Alternativen zu erforschen. Wie verbringen in dieser Stadt Menschen, die nichts mit House und Club zu tun haben wollen, ihre Wochenenden?
Eine Beratung mit meiner besten Freundin, die meine plötzliche Sinneswandlung etwas amüsiert beobachtete, brachte uns darauf, doch einfach mal in einen Dinnerclub zu gehen, gemütlich was zu essen, dazu eine gute Flasche Traubensaft zu leeren und dann vielleicht noch den einen oder anderen Cocktail zu trinken. Wir reservierten also einen Tisch für Freitag abends und zogen mit unseren jeweiligen besseren Hälften los. Die Bestellung des Hauptganges stellte noch kein Problem dar und lecker war er auch. Als wir die Nachspeise orderten, musste ich den Kellner allerdings bereits fast anschreien. Nicht weil der Mann seinen Job nicht gut gemacht hätte, keinesfalls, sondern weil die Hintergrundmusik zu diesem Zeitpunkt schon so laut war, dass er mich anders nicht verstanden hätte. Der Unterhaltung litt darunter verständlicherweise ebenfalls, denn der Tisch zwischen uns lies es auch nicht zu, dass wir näher zusammen rückten. Nach knapp drei Stunden verließen wir - heiser und leicht entnervt – das Lokal.
Aber so schnell wollten wir nicht aufgeben. Wir verlegten uns also vom "Sex and the City"- inspirierten Dinnerclub auf ein normales Restaurant und anschließende Cocktails in einer einschlägigen Bar. Und siehe da, wir unterhielten uns blendend, zumindest solange jeder von uns etwas zu essen vor der Nase stehen hatte. Kaum hatten wir in die Bar gewechselt, lehnten wir alle nur noch rum und brachten kaum ein Wort raus. Vielmehr gähnten wir alle mehr oder minder verstohlen vor uns hin, denn die vorangehende Schlemmerei hatte uns alle ziemlich erledigt. Wir landeten folglich zu einer Zeit im Bett, zu der wir einige Wochen davor gerade mal die Wohnung verlassen hätten.
Die Sache mit Essen gehen konnten wir also vergessen. Macht nix, ist ohnehin besser für die Figur. Meine Freundin und ich verlegten uns also auf Cocktails, einfach nur Cocktails, ohne Essen, ohne Männer. Eine Bar, zwei Barhocker, ein Barkeeper, zwei Gläser und wir, sonst nichts. So schön hatten wir uns das vorgestellt… Denkste, das war nix. Kaum hatten wir die Bar über den Dächern Wiens betreten, wurden wir auch schon von allen Seiten beäugt. Ich kann beim besten Willen nicht sagen, was uns mehr Angst machte. Die Damen – großteils so alt, wie wir beiden zusammen und vermutlich zumindest einmal geschieden, in mehr oder minder körperbetonten Klamotten und beginnende Falten so gut wie möglich übermalt – sahen uns an, als wären wir der Teufel persönlich, und die Herren – in teuren Anzügen oder solchen, die zumindest so aussehen sollten, mit Zigarren und demonstrativ großen Geldscheinen – betrachteten uns, als wären sie die Löwen und wir die Antilopen. Kaum zwei Stunden später gingen, oder besser schwankten, wir nach Hause. Wir hatten zwar keinen Cent Geld gebraucht, aber auch nicht eine Sekunde Gelegenheit gehabt, uns zu unterhalten. Entweder sie war damit beschäftigt, jemandem zu erklären, dass sie vergeben ist, oder ich war es.
Um dem ganzen ein Ende zu machen: Die Woche darauf schleppte mich mein liebe Freundin – die das Ende dieser Geschichte vermutlich bereits kannte, als sie anfing - wieder in einen Club. Einen dunklen, lauten, verrauchten Club. Und was soll ich sagen? Ich hab mich selten so gut amüsiert. Ich habe viele Freunde getroffen, die ich schon seit Jahren kenne. Freunde, mit denen ich mich darüber unterhalten konnte wie es früher war. Als Karottenhosen in den Stiefeln noch in waren, und dann wieder out, und jetzt wieder in. Und hey, alt bin ich noch lange nicht! Ich hab nur viel gesehen…
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