Raue Sitten... Mi, 24.10.2007
Meine Wenigkeit hat sich in den letzten Monaten aus Gründen privater Natur nächtens nur wenig aus dem Hause bewegt. Zugegebenermaßen ziemt sich das für eine Partylöwin gar nicht, also gelobe ich an dieser Stelle ausdrücklich Besserung: Der Stroboskop – Blitz möge mich treffen, wenn ich mein nächtliches Leben nochmals derart vernachlässige. Den ersten Schritt zur Änderung des Couch- Potatoe- Daseins habe ich bereits getan und mich mal wieder unter die Leute bewegt. Und entweder ich habe so einiges verdrängt, oder ich bin nix mehr gewohnt, oder – Gott bewahre – ich werde jetzt wirklich langsam alt. Eines ist zumindest amtlich, mir tat Tags nach meinem nächtlichen Ausflug so ziemlich alles weh, bloß der Kopf nicht. Irgendwie hatte ich das umgekehrt in Erinnerung…?

Ich wollte also ins Innere des ersten Lokals meiner Wahl, als ich von einem der Männer, die für unser aller Sicherheit zuständig sind, gefragt wurde, was mich denn so lange von einem Besuch abgehalten hat. Ich hatte gerade die halbe Antwort formuliert - und ich habe ein ziemlich flottes Mundwerk – da wurde ich recht unsanft zur Seite geschubst. Mein Knie machte eine eher unangenehme Bekanntschaft mit einem Metallgitter, das unerwünschte Besucher von unkontrolliertem Eindringen abhalten soll. In einigen Zentimeter hohen Heels steht man halt nicht ganz so sicher, insbesondere wenn die Schuhe neu sind und einem die Übung fehlt… Der circa zwei Meter große Schrank (wie viel Anabolika verträgt ein Mensch eigentlich?), der meinen "Wackelkontakt" verursacht hatte, reagierte auf eine mürrische Zurechtweisung meines Gegenübers mit einem zumindest genauso unwirschen Knurren, von dem man beim besten Willen nicht sagen konnte, ob es eine Entschuldigung oder eher das Gegenteil davon war. Nun ja, immerhin wusste ich ab diesem Zeitpunkt, dass er wohl auch reden kann, wenn er will. Nur für ein schlichtes "Entschuldige!" oder "Darf ich mal vorbei?" reichte sein Wortschatz offenbar nicht.

An der Türe stieg gerade wieder einmal die alte "Ich steh auf der Liste – Nein, tust du nicht" - Diskussion. Manche Dinge ändern sich eben nie. Nach den üblichen kurzen Erklärungsversuchen, wer wessen Freund versprochen hätte, den Cousin der Tochter von irgendwem auf die Gästeliste zu setzen, drängte sich ein junger geschniegelter Blondschopf an mir vorbei. Dabei lernten meine Rippen das Pult kennen, hinter dem sich die Dame mit der Macht über die Gästeliste befindet; ihr wisst schon, neue Highheels, wenig Übung… Aber der Blondschopf schob sich weiter, entfernte auch den Stauverursacher mit vollem Körpereinsatz und meinte lapidar: "Klär das woanders!" Interessanter Ansatz, wo soll man das Thema Gästeliste denn klären, wenn nicht an der Gästeliste? Aber immerhin verhalf er allen Wartenden zu einer schnelleren Abwicklung.

An der Garderobe schaffte ich es gerade noch, ein blaues Auge durch einen Schlag mit einem beim Jacke anziehen ohne Rücksicht auf Verluste ausgestreckten Arm zu verhindern, indem ich eine schnelle Ausweichbewegung nach hinten machte. Spätestens in diesem Moment verfluchte ich die neuen Schuhe… Gott sei Dank wurde ich von einem freundlichen Gentleman – der einzige des gesamten Abends - aufgefangen, der mich wieder auf die Beine stellte. Schon als ich durch die Schallschutztüre vom Vorraum ins Innere des Clubs wollte, strauchelte ich das nächste Mal, denn der Besucher, der die Türe vor mir passiert hatte, dachte nicht im Traum daran, sie für Nachfolgende aufzuhalten. Und leider hat das Ding ein ziemliches Gewicht, weshalb ich mich mit voller Kraft dagegen lehnen musste, um sie aufzustemmen. Das veranlasste allerdings niemanden der von hinten Andrängenden, mir zu Hilfe zu kommen….

Ich steuerte, ganz nach Mädchenmanier, sofort die Damentoilette an. Dort gab es den üblichen Stau, den man als halbwegs erfahrender Partygeher ohnehin immer einkalkuliert. Neu ist aber, dass man auch am Damenklo nicht vor Blessuren sicher ist. Ein Schelm, wer jetzt an einen Catfight um dem schönsten Mann im Club denkt. Nein, aber spitze Stöckel und große Handtaschen sind verdammt gefährliche Waffen. Man sollte die Frau vor sich in der Schlange ganz genau beobachten, sonst hat man entweder ein Loch im Fuß oder bekommt eine schwungvoll über die Schulter geschwungene Tasche auf die Rübe.

Nach all der Anstrengung wollte ich nur schnellstmöglich noch etwas zu trinken haben und mich mit dem betreffenden Glas in ein sicheres Eck verziehen. Ich steuerte also schnurstracks die Bar an und reihte mich brav in die Riege der wartenden Durstigen ein. Der Barkeeper tat weiß Gott sein Bestes, aber der Andrang war größer, daher musste man ein wenig Geduld aufbringen. Die hatte der nette Herr hinter mir offenbar nicht, weil er sich von hinten gegen mich lehnte und versuchte, an mir vorbei den Mann hinter der Bar auf sich aufmerksam zu machen. Die Seite meiner Rippen, die bis zu diesem Zeitpunkt noch heil war, machte jetzt Bekanntschaft mit der Bar.

Nachdem ich es endlich geschafft hatte, mir mitsamt meinem Vodka- Mischgetränk ein nettes Plätzchen auf einer Couch bei alten Freunden zu erkämpfen, war ich gerade halbwegs entspannt, als sich neben wir zwei offenbar Testosteron gesteuerte Mannsbilder – nicht zu verwechseln mit einem Bild von einem Mann! – zu duellieren begannen. Der eine schubste denn anderen, der hatte wohl auch schon wesentlich mehr als die erlaubten 0,5 Promille und torkelte rückwärts, fiel über die Seite der Couch und landete auf meinem Schoß. Auf das Gewicht des – nicht gerade schlanken – Herren möchte ich an dieser Stelle nicht näher eingehen. Dass meine Oberschenkel blaue Flecken aufweisen, die definitiv nicht von anderen Aktivitäten in dieser oder einer anderen Nacht seither stammen, ist ein Faktum.

Ich ergriff vorerst die Flucht, denn wie es scheint, muss ich mich erst langsam wieder an das bunte Treiben gewöhnen. Aber ich bin recht zuversichtlich, das wird schon werden… Also auf bald!